Interview

Auszug aus einem öffentlichen Gespräch anlässlich der Ausstellungseröffnung IM ZWISCHEN am 19.10.2012 in der SDW Berlin-Neukölln

Dirk Wieschollek: Deine Fotografien lenken den Blick häufig auf ganz unscheinbare Dinge. Auf Situationen, auf Räume des Alltäglichen. Immer sehr situativ, sehr augenblickshaft. Wir sehen abstrakte Linien, Flächen, merkwürdige Details, Durchblicke, räumliche Konstellationen, die eine große Offenheit und Unklarheit mit sich bringen. War diese Offenheit und Unklarheit einer der Hauptimpulse deiner Arbeit?

Frank Schlegel: Es gibt kein vorab ausgearbeitetes Konzept, das ich dann nachträglich fotografisch realisiert hätte. Es ist vielmehr so: Ich werde von einer Situation, von einem An-blick affiziert und dann ereignet sich das Foto.
Für mich sind all diese Bilder ja überaus vertraut und nah, weil ich sie Hunderte Male gesehen habe. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass sie für einen Betrachter, der sie zum ersten Mal sieht, etwas Befremdliches an sich haben. Und tatsächlich, darum geht es mir auch, um eine Art Reibung, die hier erzeugt wird.

Aber es gibt noch einen anderen Aspekt: Das Foto lenkt den Blick oft an einen Ort, in eine Situation, auf eine Konstellation, wo man gemeinhin nicht bewusst hinschaut. Und vielleicht erzeugt gerade dies den von dir angesprochenen Rätselcharakter. Es geht dabei immer auch um die Frage: Kann es heute, wo wir an allen erdenklichen Orten von Bildern überflutet werden, die wir kaum noch bewusst ›sehen‹, überhaupt noch Fotos geben, die uns bremsen? Wo wir nicht sofort weitereilen, sondern Halt machen und uns dann womöglich fragen: Moment mal, was ist das denn? Also dieses Bremsen und die dabei entstehende Reibung ist durchaus ein Bestandteil meiner Arbeit.

Aber all das bezieht sich ja erst nur auf den funktionalen oder hermeneutischen Aspekt der Fotografie, d.h. auf die Frage, auf welche Art und Weise ein Verstehen oder auch Nicht-Verstehen beim Betrachter in Gang gesetzt wird. Es geht im Foto aber immer auch um ein ›Was‹. Was wird gezeigt, was sehe ich da eigentlich? Dabei spielen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit ineinander. Es steckt immer etwas – quasi als Hintergrund – im Foto drin, das selbst nicht erscheint. Worum es aber letztendlich geht! Doch darüber kann man nicht wirklich sprechen.